Chronologie einer Zerstörung – oder wie man ein naturnahes Feuchtbiotop zur Umwandlung in Bauplätze vorbereitet

Die im Folgenden beschriebenen, äußerst Besorgnis erregenden Entwicklungen erstrecken sich über einen Zeitraum von 2 Jahren (August 2010 – 2012 ff.) und betreffen vor allem den im Luftbild rot umrandeten Bereich (Abb.1).

FS areal der Zerstörung

Abb. 1: von Eingriffen betroffenes Areal


Beschreibung der Ausgangslage

A priori handelt es sich um den ufernahen Verlandungsbereich des Neusiedlersees, nach Osten begrenzt durch die markante Geländestufe des „Seedammes“, dessen Entstehung, nach neuesten Erkenntnissen, vermutlich durch Eisstoßaktivität bei höheren Wasserständen erfolgte.

Schilf war bis Mitte des 19. Jahrhunderts am Seeufer nur stellenweise und vornehmlich im Hansag anzutreffen. Der Schilfgürtel ist ab 1909 bis 1965 stark angewachsen. Ursachen der Verschilfung sind einerseits der Eintrag von Dünger aus der Landwirtschaft und andererseits der Einser-Kanal, der eine Ausdünnung des Salzgehaltes des Wassers bewirkte. Dieser Schilfgürtel dient als Sedimentfänger, der einerseits die durch den bevorzugten Westwind und die Wasserströmungen transportierten mineralischen und organischen Schwebstoffe des Sees anreichert und andererseits selbst zur Bodenbildung beiträgt.

Im Laufe der Zeit kam es so zur zunehmenden Verlandung, sodass sich auch Bäume und diverse buschbildende Gehölze ansiedeln konnten.  Jedoch war gerade dieses betroffene Areal, selbst als der Neusiedlersee austrocknete, durch zufließendes artesisches Wasser ein – heute würde man sagen – Feuchtbiotop!

Die heutige Wassereinleitung aus diesem Brunnen erfolgt im Bereich des Marktes unterirdisch, erst ab den Bahngeleisen seeseitig wird dieses Gerinne obertägig geführt und mündet beim Überlaufbecken in den dazu gehörigen Kanal. Die Dotierung des Feuchtbiotops erfolgt heute also lediglich durch Oberflächenabwässer und Niederschläge.

1872

Abb. 2: Situation in den Jahren 1864-1870: Interessant ist die Tatsache, dass obwohl der Neusiedlersee zu dieser Zeit ausgetrocknet war zwischen dem Seedamm und Cote 112 eine Wasserfläche dargestellt wurde. Deutlich erkennbar ist die Herkunft dieses Wassers aus dem nördlich zufließenden Bach, der vom artesischen Brunnen auf dem Markt abzuleiten ist (Gradkartenblatt der Franziskojosephinischen, 3. Landesaufnahme der österreichischen Kronländer, 1872/73).


In den späten 1960er Jahren wurden durch die Gemeinde Weiden am See im Bereich der heutigen Feriensiedlung An- und Aufschüttungen vorgenommen, um dieses Gebiet für Zweitwohnsitze erschließen zu können. Auch die Errichtung eines Kanals quer durch den Schilfgürtel erfolgte zu dieser Zeit, da auch Bootsliegeplätze für die Bewohner der Feriensiedlung vorgesehen waren. Bis dahin gab es in diesem Bereich einige, zu dieser Zeit jedoch nicht mehr genutzte, weitgehend verwachsene und verlandete Fischteiche.

Die nächsten maßgeblichen und landschaftsverändernden Baumaßnahmen in diesem Areal erfolgten zu Beginn der 1980er Jahre mit der Errichtung des Seeparks Weiden, der damals bereits in „grünaffinen“ Teilen der Bevölkerung sehr kontroversiell diskutiert wurde. Vielen war damals dieser massive Eingriff in die Natur- und Umwelt bereits ein Dorn im Auge!

Im Zuge der Fertigstellung des Seeparks und der dazugehörigen „Lagunenlandschaft“, erfolgte auch die Einbindung des Bootskanals der Feriensiedlung ins Lagunensystem, der ehemalige Kanal der Feriensiedlung verläuft heute parallel zur Uferlinie.

In den 1990er Jahren wurde gleich anschließend an die Feriensiedlung ein Absetzbecken ausgebaggert, und mit dem Kanal des Überlaufbeckens der Kläranlage verbunden, der bis dahin in den Bootshafen der Feriensiedlung einmündete. Anschließend an dieses Absetzbecken wurde ein Kanal errichtet, der in der Nähe der Seeparklagune in den alten Bootskanal einmündet.

Ebenfalls in den späten 1990er Jahren wurde das große Absetzbecken errichtet, das vermutlich die Aufgabe besitzt Hochwässer aus dem Hinterland aufzufangen und von der Sedimentlast zu befreien!?!?

Dazwischen und bis August 2010 blieb dieses Areal noch weitgehend unberührt, mit Ausnahme jagdlicher Nutzung und Fischerei entlang der Uferbereiche des Hafenbeckens der Feriensiedlung und der Seeparklagunen, leider verbunden mit Verschmutzung und Konzentration von Müll (Plastikflaschen, Papier, Maisdosen, etc.) durch verantwortungslose Hobbyfischer.

Seit August 2010 sind auf diesem Areal zahlreiche besorgniserregende Eingriffe zu beobachten, die den naturnahen Charakter dieses Gebiets stärker beeinträchtigen, als sämtliche Maßnahmen der letzten 40 Jahre zusammengenommen!

„Reitweg“ August 2010

In Zusammenhang mit dem „Schilfstreit“ des Jahres 2010 sind auch zunehmend die Eingriffe in das betroffene Areal zu betrachten.

Unter dem Vorwand, im Auftrag des Landes, einen Reitweg durch Weiden am See zu errichten, wurden massive Rodungsarbeiten entlang des Kanals zwischen Überlaufbecken und Absetzteich und entlang der Gasleitungstrasse durchgeführt. Der Baustopp erfolgte nach den Rodungsarbeiten zu spät! Somit hat die Gemeinde einen „status quo“ geschaffen, wohl wissend, dass für das Reitwegeprojekt keine Bewilligungen, seitens der entsprechenden Landesdienststellen vorlagen, geschweige denn überhaupt beantragt wurden!

Reitweg 2010

Rodungen im Zuge der Errichtung des “Reitweges”


Örtliches Entwicklungskonzept 2010 (ÖEK)

Im ÖEK 2010 ist genannte Fläche bereits mit einer Pfeilmarkierung versehen, welche die „Entwicklungsrichtung für die freizeitorientierte Wohnnutzung“ für die nächsten Jahre festlegt.

Baggerarbeiten im Winter 2011/12

Der Kanal vom Absetzteich Richtung See wurde ausgebaggert (Säuberung), verbunden damit erfolgte eine Verbreiterung des begleitenden befahrbaren Dammes auf mehr als das Doppelte und weiteren Rodungsarbeiten.

Zusätzlich erfolgt mit Hilfe eines quer über den Damm verlaufenden Abflussgrabens eine effektive Entwässerung des Feuchtgebietes zwischen Radweg und Kanal.

Baggerarbeiten

Baggerarbeiten im Winter 2011/12: im rechten Bild der Graben zur Entwässerung des Feuchtbiotops (Blick in Richtung Radweg)


Wartung und Pflege der Gasleitungstrasse Winter 2011/12

Erstmals seit Bestehen der Gasleitung erfolgte im gegenständlichen Areal eine massive Rodung des Trassenbewuchses in einem Streifen mit rund 8 Metern Breite. Zusätzlich wurde der Leitungsverlauf alle 20 Meter mit oben gelb lackierten Holzpfählen markiert.

Derartige Markierungen mit Auspflockungen werden im Allgemeinen dann durchgeführt, wenn Baumaßnahmen geplant sind, welche die Leitung beschädigen könnten!!

Wie ist das in diesem Fall?

Gasleitung

Rodungsarbeitung und Auspflockung der Gasleitungstrasse Februar 2012


Sind seitens der Gemeinde doch Aufschließungsarbeiten für eine weitere Feriensiedlung geplant, obwohl dies der Bürgermeister auf der Gemeindeversammlung im April 2012 verneinte??

Soll dieses Gebiet, durch die seit 2 Jahren durchgeführten massiven Eingriffe für den Naturschutz uninteressant gemacht werden??

Stehen diese Engriffe in Zusammenhang mit dem geplanten Bauprojekt in der Schilffläche zwischen Feriensiedlung und Seepark???

Die Ausweisung als Hoffnungsgebiet für Wohnen/Freizeit im ÖEK 2010 trägt nicht gerade zur Beruhigung bei!!!


Kommentare

Ist es wirklich notwendig, das es soviele gerodet wird. Ich war immer sehr gerne in dieser Gegend für einige Tage auf Urlaub, aber jetzt gefällt mir dieses Gebiet wirklich nicht mehr. Daher werde ich in Zukunft meine Ausflüge wo anders verbringen.

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihr Kommentar: